Spätestens seit März 2020, als alle plötzlich Coronamasken brauchten und in den Geschäften nirgends fündig wurden, weiß wohl jeder, wie nützlich Erklärvideos sind: Gesichtsmasken selber nähen in 5 Minuten… Aber auch wer nicht gleich zu Nadel und Faden gegriffen hat und alten Vorhängen oder Bettbezügen zu neuem modischen Ruhm verholfen hat – angeschaut haben sich wahrscheinlich die meisten, wie es ginge, wenn man denn wollte.
In der Schule sind Erklärvideos schon lange fester Bestandteil des pädagogischen Methodenmix, ob es um Schildvulkane, Inflation, Reichsdeputationshauptschluss, Gentechnologie oder um einen schnellen Zugang zu Antigone oder Hamlet geht. Etwas ganz anderes ist es, wenn sich Schülerinnen und Schüler selbst an die Arbeit machen und eigene Erklärvideos produzieren: so geschehen im Mathematikunterricht bei Frau Cedzich in der 7c vor den Sommerferien, als Präsenz- und Onlineunterricht in A- und B-Wochen wechselten.
Im Juli 2020 erschienen im Klassenteam auf der Online-Plattform Hinweise wie diese:
13. Juli
In dieser ersten Fragestunde zum Erklärvideoprojekt, werden wir über die Rahmenbedingungen sowie über Kriterien für ein gutes, effektives und sinnvolles Erklärvideo sprechen.
22. Juli
In dieser Fragestunde können letzte Fragen gestellt und Tipps gegeben werden, bevor ihr eure Erklärvideos am 23.07. abgebt (mir per Chatfunktion in Teams zusenden).
24. Juli
Endlich ist es soweit!
In diesen zwei Stunden werden wir uns die Videos anschauen und konstruktives Feedback (vgl. Unterricht) geben.
Ich freue mich darauf.
Ein Unterrichtsthema in Mathematik mit einem eigenen Erklärvideo für die Mitschülerinnen und Mitschüler aufbereiten – was für eine Herausforderung! Da reicht es nicht, den Stoff selbst hinreichend verstanden zu haben, um Aufgaben lösen zu können: Sich in andere hineinzuversetzen, die das Problem noch nicht durchdrungen haben, ist eine völlig andere Anforderung - ganz abgesehen vom notwendigen technischen Knowhow.
Was am Ende bei dem Projekt herauskam, konnte sich sehen lassen! So vielfältig wie die Teams, die Themen und die Technik, so vielfältig waren auch die Ergebnisse. Hier ein Überblick über Vorgaben und Ablauf:
Vorbereitung
Die Schülerinnen und Schüler konnten bei der Planung auf ihre bereits reichhaltige Seh-Erfahrung zurückgreifen. Die Bandbreite auf Youtube und anderen Plattformen reicht von hyperprofessionellen Filmen bis hin zu völlig dilettantischen Amateurvideos, und so fiel es nicht schwer, gemeinsam Kriterien für gute, effektive, sinnvolle – aber eben auch für schlechte Erklärvideos zu sammeln:
Themenwahl
Einzeln, zu zweit oder zu dritt wurden dann diese Themen in Angriff genommen: Prozentwert, Grundwert, Prozentsatz, Zinsen, Tilung, Mittelwert, Median, Boxplot, Äquivalenzumformungen und Termumformungen von Gleichungen, geometrische Interpretation von Gleichungen, lineare Funktionen und ihre Graphen im Koordinatensystem, Bestimmen von Größen durch Konstruieren, Regeln zum geschickten Rechnen, ein Winkelsatz und das Distributivgesetz.
Storyboard
Die Arbeit am Film selbst leisteten die Schülerinnen und Schüler zu Hause. Wichtige Entscheidungen - technische, pädagogisch-didaktische, dramaturgische – wurden vorab beim Erstellen des Storyboards getroffen.
Präsentation
Den Höhepunkt bildeten schließlich Präsentation und Diskussion der Ergebnisse. Ein Film, in dem sich eine Schülerin oder ein Schüler mit Stimme, z.T. auch mit Bild, zeigt, ist ein sehr persönliches Dokument, bei der Besprechung lag ein Fokus daher auf der wertschätzenden Formulierung von Kritik und Urteil. Nicht immer führt maximaler Aufwand auch zu maximalen Ergebnissen. Und ob eine musikalische Untermalung oder andere Entertainment-Elemente passen und nötig sind, ob der Einsatz von Monster Toys den Lerneffekt eher verstärkt oder stört, ob Moderationskarten eine bessere Wirkung haben, wenn sie maschinengeschrieben sind oder handgeschrieben, da können die Auffassungen und Geschmäcker auseinandergehen. Wie einfallsreich werden die vielfältigen Möglichkeiten des Mediums genutzt? Wie anschaulich und einprägsam sind die Erläuterungen? Werden nachvollziehbare Beispiele angeführt? Fühlen sich die Zuschauenden direkt angesprochen, gibt es gar Anregungen zu Aktion oder Interaktion? Die pädagogische Bedeutung solcher Nachbesprechungen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Fazit
Ein Projekt, bei dem Handlungs- und Produktionsorientierung groß geschrieben war, bei dem viele Möglichkeiten des digitalen Lernens ausgeschöpft wurden und das offensichtlich auch allen – in Zeiten verordneten Fernunterrichts – großen Spaß gemacht hat, eine wesentliche Voraussetzung, damit der vermittelte Stoff auch nachhaltig verfügbar bleibt.
Von Frau Hüper